Stadtwanderung Stuttgart
Die von Anfang Dezember auf Mitte November vorgezogene Wanderung ist im Wanderplan 2021 mit „Stadtwanderung Stuttgart“ betitelt. 20 Wanderfreunde und -freundinnen starteten am Bahnhof Bad Cannstatt zu einer 2 1/2-stündigen Rundwanderung. Bei zuerst etwas nieseligem Wetter überquerte die Gruppe auf dem Mühlsteg den Neckar und erreichte den ersten Anlaufpunkt, den Auquellbrunnen. In einem gläsernen Turm steigt ein Teil des Wassers empor. Wasser aus der Auquelle wird mit Pumpen in einen Wasserbehälter im Rosensteinpark gefördert und dient der Wasserversorgung der Wilhelma. Auch das Leuze Mineralbad und das Hallenbad Cannstatt erhalten Wasser der Auquelle. Von dieser Quelle waren es nur wenige Schritte bis zur nächsten, der Mombachquelle in der Grünanlage „Krefelder Straße“. Die Mombachquelle ist der einzige noch vorhandene natürliche Quelltopf in Stuttgart. Sie gehört nicht zu den hochmineralisierten Quellen des Heilquellengebiets Bad Cannstatt. Dennoch erhalten zwei Mineralbäder, das Mineralbad Leuze und das Cannstatter Mineralbad, Wasser aus der Mombachquelle. Auf einem Weg der mitten durch den stadteigenen Weinberg „Cannstatter Halde“ führt, ging es nun weiter Richtung Travertinpark. Schon in der Antike nutzten die Menschen hier, vor allem die Römer, den witterungsbeständigen Kalkstein Travertin. Seit Ende des 19. Jahrhunderts wurde Travertin im Stadtteil Hallschlag industriell abgebaut. Einer der Steinbrüche – der Steinbruch Haas – wurde bis 2007 betrieben. Der Traverinpark entstand in zwei Bauabschnitten zwischen 2009 und 2014. Maschinen und Gleistrassen der früheren Steinbrüche wurden in die Parkgestaltung integriert. Informationstafeln informieren über die Geschichte des Traverinparks. Der Park verfügt auch über ein Stück Bahngeschichte: Reste der ersten elektrischen Industriebahn in Württemberg ziehen sich durch das Gelände.
Die Bahn wurde 1926 in Betrieb genommen. Dazu waren vier Kilometer Gleise verlegt, eine elektrische Oberleitung gebaut und eine elektrische Lokomotive beschafft worden. Der Streckenabschnitt diente ausschließlich dem Güterverkehr. Im Jahr 1963 wurden die elektrischen Oberleitungen abgebaut, gleichzeitig übernahm die Deutsche Bundesbahn den Auftragsverkehr mit Diesellokomotiven. Auch dieser Verkehr wurde Ende 2000 eingestellt, die Schienen im folgenden Jahr entfernt. Die nächste interessante Station auf dem Wanderweg war das Römerkastell.
Auf dem Altenburger Feld in Cannstatt stand einst ein römisches Kastell. Es schützte mit 500 Reitern wichtige Straßen, auf denen Güter von den Rheinprovinzen an die Donau gingen. Um das Jahr 159 wurde der Limes weiter nach Osten verlegt und das Kastell Cannstatt verlor an Bedeutung. Ab 1904 wurde über den Resten des Kastells eine Dragonerkaserne für die Truppen König Wilhelms von Württemberg erbaut. Ab 1920 gehörte der Standort zum 18. Reiterregiment der Reichswehr. In der Zeit des Nationalsozialismus (1933 – 1945) waren in der Kaserne u.a. verschiedene Kavallerie-, Radfahr- und andere Ersatzabteilungen untergebracht. Im Jahr 1945 übernahmen die US-Amerikaner die Anlage. Nach deren Abzug 1990 fiel die Liegenschaft an den Bund. Der kümmerte sich aber recht wenig um seinen Besitz, so dass das Areal zusehends verwahrloste. 10 Jahre lang diskutierte die Stadtverwaltung über verschiedene Nutzungskonzepte. Mittels eines Wettbewerbs wurde 2001 ein Investor gefunden, der die ehemalige Kaserne revitalisieren sollte. Medien, Kunst und Musik zogen ein. Bis Ende 2012 waren alle Bestandsflächen ausgebaut und vollumfänglich vermietet. Zur besseren Nahversorgung der angrenzenden Gebiete entstanden später zusätzliche Ladengeschäfte, Flächen für Dienstleistungen und Büros. Auf dem Weg hinunter in die Stadtmitte Cannstatts kam die Wandergruppe noch am Steigfriedhof, dem ältesten Friedhof Stuttgarts, vorbei. Auf diesem Friedhof sind unter anderem Helga Feddersen, ihr Mann Olli Maier und der schwäbische Schriftsteller Dr. Hans Bayer, besser bekannt als Thaddäus Troll, beerdigt. Nach soviel Geschichte genossen alle die Schlusseinhehr in „Sophie’s Brauhaus“. Die Gruppe bedankte sich bei den Wanderführern Erika und Hans Göttfert für diesen interessanten und geschichtsträchtigen Wandertag.